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Neuer Artikel: Zwischen Zeitzeugen-Archiv und multimedialer Edition

News vom 06.12.2023

Ein neuer Artikel von Cord Pagenstecher stellt die Konzeption und Kuratierung von Interview-Archiven in einen editionswissenschaftlichen Kontext. Der Beitrag "Oral History-Interviews. Zwischen Zeitzeugen-Archiv und multimedialer Edition" ist jüngst im Sammelband "Der Text und seine (Re)Produktion" erschienen.

Er basiert auf einer Charakterisierung von Oral History-Archiven als multimediale Editionen im Rahmen eines Vortrags bei einer Wuppertaler Tagung. Das editionswissenschaftliche DFG-Graduiertenkolleg „Dokument – Text – Edition“ veranstaltete 2021 die Tagung „Der Text und seine (Re-)Produktion. Ein interdisziplinärer Dialog über Kulturtechniken in der Editorik“. Im Fokus des darauf basierenden Sammelbandes stehen der Text, seine Produktion und insbesondere seine Reproduzierbarkeit, auch im editorischen Rahmen. ‚Text‘ wird als Begriff und Konzept im Kontext verschiedener Kulturtechniken verstanden, sowohl als methodisches Scharnier als auch als Schnittmenge von materiellem Dokument und erarbeiteter Edition. Gegenstand sind schrift- und bildsprachliche Texte aus verschiedenen Überlieferungskontexten sowie akustische Texte.

In diesem Rahmen widmet sich der Beitrag von Cord Pagenstecher dem Oral History-Interview als Text und dem Oral History-Archiv als multimediale Edition. Zu unserem kulturellen Gedächtnis gehören nicht nur schriftliche Texte, künstlerische Werke oder archäologische Überlieferungen, sondern auch audiovisuelle Aufzeichnungen, darunter etwa die narrativ-biografischen Interviews der Oral History. Sie halten mündliche Erzählungen von persönlichen Lebensgeschichten für die Nachwelt fest und stehen damit genau an der Schwelle vom individuellen und kommunikativen Gedächtnis der ZeitzeugInnen zum medial geformten kulturellen Gedächtnis der Gesellschaften. Ihre Erschließung und Bereitstellung in digitalen Interview-Archiven ähnelt in vieler Hinsicht dem Vorgehen von Editionsprojekten. Allerdings werden die in der Editionswissenschaft entwickelten Konzepte in der Oral History kaum genutzt. Andererseits erschließen (auch digitale) Editionen meist schriftliche Quellen wie Inschriften, Manuskripte oder Akten; nur wenige Projekte widmen sich audiovisuellen Dokumenten, etwa Audiobüchern und Hörspielen oder historischen Liedtexten. Die Übertragbarkeit grundlegender Konzepte wie Dokument, Text, Autor oder Werk auf audiovisuelle Texte und speziell die Oral History ist also zunächst noch zu diskutieren. Dafür charakterisiert dieser Beitrag zunächst ein Oral History-Interview in seinen disziplingeschichtlichen, technischen, narrativen, performativen, dialogischen und institutionellen Entstehungskontexten. Dann skizziert er gängige Interpretationsansätze und Publikationswege. Anschließend werden vorhandene Interviewarchive, insbesondere an der Freien Universität Berlin, mit ihren Transkriptions- und Erschließungsmethoden vorgestellt und als Oral History-Editionen verstanden.

  • Cord Pagenstecher: Oral History-Interviews. Zwischen Zeitzeugen-Archiv und multimedialer Edition, in: Der Text und seine (Re)Produktion, hg. v. Niklas Fröhlich, Bastian Politycki, Dirk Schäfer und Annkathrin Sonder, Berlin, Boston: De Gruyter, 2023, 97-106, https://doi.org/10.1515/9783111006147-007
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